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Magier

 

 

Magier


Spätestens seit Gandalf, Miraculix, Dumbledore und teilweise auch Meister Yoda ist der Magier oder Zauberer zu einem Urbild in der inneren Bilderwelt der Menschen zumindest in der westlichen Kultur geworden. Das Bild des Zauberers ist nun ja keineswegs ein neuerschaffenes Urbild, sondern eher ein „wiederbelebtes Urbild“, dessen halbvergessene Vorfahren in unserem Kulturkreis vor allem Merlin und Odin sind. Von Odin stammt das Bild des wandernden Zauberers und von Merlin das Motiv des Zauberers, der im Verborgenen die Geschicke des Landes lenkt und den König berät.

Wenn man sich ein bißchen weiter umsieht, tauchen noch einige andere Gestalten auf, die von ihrem Können und ihrem Verhalten her durchaus Ähnlichkeit mit Merlin und Odin haben: die Yogis, die Fakire, die Sufis, viele Tulkus, die tibetischen Magier-Lamas Padmasambhava und Milarepa, die altägyptischen Zauberer-Priester, Moses, Elias, Christus, einige christliche Mystiker ...

Nun gibt es zwischen diesen Magiern (wenn man sie einmal alle so nennen darf) ja durchaus große Unterschiede, aber eben auch viele Gemeinsamkeiten wie vor allem ihre Wundertaten. Wenn ein solches Urbild in einer Kultur wieder lebendig wird, ist es naheliegend, sich einmal seine Geschichte anzusehen, um es besser zu verstehen und evtl. auch, um sich von diesem Bild nicht nur in einer Fantasy-Welt begeistern zu lassen, sondern es in den eigenen Alltag zu integrieren.

Die Betrachtung des Urbildes des Magiers wirft natürlich als erstes die Frage nach der Realität der Magie auf: Gibt es Telepathie und Telekinese? Gibt es Geistheilungen? Funktioniert die Astrologie? Kann man über Feuer gehen und Glut essen? Kann man fliegen? Kann man Tote erwecken? Kann man über Wasser gehen? ...

Auf diese Frage kann man mit den Buchstaben in einer solchen Betrachtung keine befriedigende Antwort geben, da sich Weltbilder nicht durch Beschreibungen ändern, sondern nur durch Erlebnisse – und die kann man eben nicht auf Papier vermitteln. Man wird sich also selber auf die Suche machen und selber mit dem Experimentieren beginnen müssen. Man kann in einer solchen kurzen Betrachtung wie hier nur kurz untersuchen, ob solche „Wunder“ unbedingt dem wissenschaftlichen Weltbild widersprechen müssen oder wie man das derzeitige Weltbild verändern müßte, damit in ihm Wunder wieder eingeordnet und begriffen werden können – die Realität der Magie selber ist ja unabhängig davon, ob man sie versteht oder nicht. Das zweite, was man innerhalb einer solchen kurzen Betrachtung untersuchen kann, ist, von wem welche Wunder berichtet werden, um einmal zu schauen, worüber man hier eigentlich spricht, und um zu sehen, ob es da vielleicht Regelmäßigkeiten gibt.

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An unserem derzeitigen Weltbild gibt es eine kleine, aber sehr weitreichende Annahme, die letztlich dazu geführt hat, daß Wunder im allgemeinen eben für nicht möglich oder, wenn sie sich nicht mehr leugnen lassen, eben zumindest für wunderbar und verwunderlich gehalten werden. Diese Annahme betrifft das Verhältnis zwischen Bewußtsein und Materie.

Die Philosophen und die meisten Mystiker haben angenommen, daß das Bewußtsein das Reale ist und daß die Materie nur eine Illusion ist, ein Trugbild, Maya, die keinerlei eigene Existenz besitzt. Die Naturwissenschaftler, die das heutige materielle Weltbild geprägt haben, sehen hingegen in der Regel die Materie als das einzig Reale an, aus dem sich dann im Gehirn durch elektrochemische Vorgänge allerlei Sekundärphänomene ergeben wie unter anderem das Bewußtsein. Diese beiden Standpunkte liegen einfach darin begründet, daß der Philosoph die ganze Zeit mit dem Bewußtsein zu tun hat und über es nachdenkt und folglich alles vom Bewußtsein her erklärt, während der Naturwissenschaftler die ganze Zeit mit der Materie zu tun hat und über sie nachdenkt und folglich alles von der Materie her erklärt.

Nun könnte man aber auch einen ganz anderen Standpunkt einnehmen. Wenn ich meine Hand anschaue, sehe ich, daß sie Materie ist. Wenn ich mich aber in meine Hand hineinfühle und spüre, wie sie auf dem Tisch aufliegt und wie das Blut in ihr strömt und ob sie warm oder kalt ist, dann erlebe ich meine Hand eindeutig in meinem Bewußtsein und als ein Bewußtseinsphänomen. Warum also nicht einfach einmal die These aufstellen, daß Materie die Welt von außen her betrachtet ist, während Bewußtsein die Welt von innen her betrachtet ist, und daß beides nur zwei Seiten derselben Sache sind?

Wenn nun aber das Bewußtsein meiner Hand und die materielle Substanz meiner Hand nicht mehr verschieden sind, dann ist auch sofort offensichtlich, warum ich mit einem Entschluß in meinem Bewußtsein meine Hand bewegen kann. Zugleich ergibt sich daraus aber auch, daß die Materie das Bewußtsein beeinflußt und genauso, daß das Bewußtsein die Materie beeinflußt – weil Bewußtsein und Materie ja nur die zwei Seiten einer Sache sind.

Wenn man sich nun einmal Anleitungen für Telepathie, Telekinese, Geistheilungen und verschiedene Arten von Magie anschaut, findet man dort immer dieselbe Vorgehensweise beschrieben: 1. sich über das eigene Ziel klar werden, 2. sich dieses Ziel möglichst lebhaft als erreicht vorstellen, und 3. entweder danach diese Imagination ruhen lassen und sie am besten ganz vergessen oder, was noch effektiver ist, ganz in dem Vertrauen, daß der ausgesandte Wunsch in Erfüllung geht, ruhen. Bei diesem Vorgang ist die lebhafte Vorstellung des erfüllten Wunsches offenbar das, was der Muskelarbeit entspricht, wenn man etwas mit dem Körper bewegt – der erwünschte Zustand wird innen vorgestellt, wodurch er sich auch im Außen in Erscheinung tritt.

Sobald man die Vorstellung, daß Materie die Außenseite der Welt und Bewußtsein die Innenseite der Welt ist, annehmen kann, hat auch sofort die Einflußnahme des Bewußtseins auf die Materie nichts Verwunderliches mehr, sondern wird zu einer natürlichen Gegebenheit.

Die Bedeutung dieser Annahme geht sogar noch weiter. Die Physiker haben spätestens seit der Entwicklung der Superstringtheorie entdeckt, daß die Welt am Anfang ein einziges Teilchen war, eben der „Ur-Superstring“, der in sich die gesamte Materie und Energie des heutigen Universums enthielt. Da Raum und Zeit gleichberechtigte Dimensionen sind, die man nicht voneinender trennen kann, existiert auch heute, nachdem sich der Ur-Superstring in die ca 1085 Superstrings der entsprechend vielen Elementarteilchen in unserem Universum aufgeteilt hat, sozusagen als Untergrund und Hintergrund diese Einheit – zumal sich die Superstrings ständig miteinander verbinden und wieder auflösen. Wenn es aber eine solche Einheit hinter der Vielheit der physikalischen Erscheinungen gibt, dann gibt es auch ihre Entsprechung auf der Bewußtseinsseite. Eine solches alles umfassendes Bewußtsein, daß zudem noch auf alles in der Welt wirken kann und alle Vorgänge in dieser Welt wahrnehmen kann, könnte man am ehesten als „Gott“ bezeichnen.


Die zweite allgemeine Überlegung, welche Magier denn welche Wunder getan haben, folgt am Schluß dieser Betrachtung, wenn die einzelnen Magier schon beschrieben worden sind.

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Wenn man versucht herauszufinden, wer denn wohl der Urahn der verschiedenen mythologischen, historischen und von Schriftstellern erfundenen Zauberer gewesen ist, gelangt man ziemlich schnell zu den Schamanen, die zumindest während der zweiten Hälfte der Altsteinzeit, also seit ca. 600.000 Jahren, die „spirituellen Fachleute“ gewesen sind. Der Schamanismus findet sich daher auch an der Wurzel aller Kulturen. Es fragt sich nun zum einen, was genau einen Schamanen ausmacht, und zum anderen, wie aus ihm im Verlauf der menschlichen Entwicklung das Bild des Magiers mit seinen verschiedenen Facetten entstehen konnte.

Zum Schamanen wird man durch zwei Dinge: zum einen durch ein Nahtoderlebnis und zum anderen durch das Verarbeiten dieses Nahtoderlebnisses in einer Weise, durch die man anschließend diese Jenseitsreise jederzeit willentlich wiederholen kann. Einer solche Jenseitsreise hat vor allem zwei Inhalte: zum einen die Astralreise, bei der man mit seinem „Astalkörper“ („Lebenskraftkörper“) seinen materiellen Körper verläßt und über ihm schwebt und ihn unter sich liegen sieht, und zum anderen die Begegnung mit der eigenen Seele, seinen Ahnen, den Engeln oder verschiedenen Gottheiten am Jenseitsfluß.

Auf das Erlebnis des Fliegens bei der Astralreise ist die weltweite Vogel-Symbolik der Seele zurückzuführen, die überall als Mensch mit mit Flügeln (Engel), Vogel mit Menschenkopf, Mensch im Federkleid, Vogel usw. dargestellt wird. Die Symbolik des Jenseitsflusses geht auf die ebenfalls weltweit verbreitete Vorstellung einer Wasserunterwelt zurück. Diese Vorstellung läßt sich wie die Seelen-Vogel-Symbolik bis in die altsteinzeitlichen Höhlenmalereien zurückverfolgen. In der damaligen Zeit waren die tiefen Wasser der Ort, an den man nicht gelangen konnte, weshalb es naheliegend war, dort den Aufenthaltort der Ahnenseelen zu vermuten. Zudem zeigt ja die Bilderwelt der Psyche, daß die Seele und der Aufenthalt in der Gebärmutter vor der Geburt fest miteinander verknüpft sind – die Seele ist vor der Geburt noch kaum durch eine Psyche verhüllt und deshalb in der Erinnerung an die Zeit vor der Geburt ebenfalls sichtbar. Die Wasser der Unterwelt sind also auch die Wasser der Gebärmutter.

Der Schamane ist also zunächst einmal ein Sterbebegleiter. Aber durch die Verbindung zum Jenseits ist er auch mit der Psyche verbunden und ebenso mit der Seele. Daher ist er auch die archaische Version des Therapeuten: Zu den Aufgaben eines Schamanen gehört auch die Heilung der Psyche, insbesondere die Traumaheilung. Da Krankheiten immer auch eine psychische Ursache haben, wurde der Schamane bald auch für alle Krankheiten zuständig. Der Schamane ist also der Fachmann für die Psyche und die Seele und in der Regel auch für den Körper.

Die Fähigkeit des Schamnen ist die Traumreise, also die Wahrnehmung der Lebenskraft und somit des Inneren der Psyche, und die Magie, also die Handlungsfähigkeit innerhalb der Lebenskraft, durch die er Heilung und anderes bewirken kann.

Bei der Betrachtung der Methoden, die die Schamanen anwenden, findet sich vor allem das „Zurückholen von Seelenteilen“. Mit Seele ist bei diesem traditionellen Begriff nicht das gemeint, was sich in einem Menschen inkarniert hat, also der Faden, auf dem die Perlen der einzelnen Inkarnationen aufgereiht sind, sondern die Psyche, die in diesem Zusammenhang als ein komplexes Gebilde aus Lebenskraft aufgefaßt wird. Wenn Teile dieses Lebenskraftkörpers durch ein Trauma erstarrt und somit verlorengegangen sind oder wenn ein Teil des Lebenskraftkörpers (und somit der Psyche) verzerrt worden ist und deshalb eine Krankheit hervorruft, ist es die Aufgabe des Schamanen, durch seine Fähigkeit des inneren Sehens (Traumreise) und durch seinen Kontakt zu den Ahnen im Jenseits („spiritistische Sitzung“) herauszufinden, welcher Teil der Psyche seines Patienten fehlt, d.h. erstarrt und somit symbolisch tot und deshalb im Jenseits (im Unterbewußtsein) ist, oder welcher Teil der Psyche seines Patienten verzerrt worden ist. Danach wird dann von dem Schamane der verlorene, d.h. erstarrte und daher „tote“ Teil der Psyche aus dem Jenseits zurückgeholt bzw. an der verzerrten Stelle der Psyche, deren Deformation durch ein Angstbild o.ä. („böser Geist“) verursacht wurde, an die Stelle des Angstbildes das ursprüngliche heile Bild („guter Geist“) gesetzt.

Schamanen sind also in erster Linie (zumindest aus psychologischer Sicht) Traumatherapeuten – was ja bei einem Leben in der Wildnis auch eine dringend notwendige Funktion ist, da ständig die eine oder andere Gefahrensituation einen Schockszustand hervorufen kann.

Von den Schamanen werden zwei verschiedene Methoden angewandt, um einen Einblick in die Psyche ihres Patienten bzw. in den Bereich der Lebenskraft zu erhalten: die Ekstase und die Meditation. Das Urbild der Meditation ist der Zustand des Todes und die dazugehörende Methode ist die symbolische Darstellung des Todes, während die Ekstase auf dem Hervorrufen der Kraft beruht, die man durch den Kontakt mit dem Jenseits erlangt.


Die meisten Meditationen sind Methoden, durch die man sich der eigenen Seele annähert, die dem Tiefschlafbewußt-sein entspricht. Dabei findet sich oft erst eine bildhafte Phase, die dem Traumzustand entspricht und dann eine Phase, in der diese Bilder wieder aufgelöst werden, die dem Übergang zum Tiefschlaf entspricht. In der Meditation schläft man dabei aber nicht ein, sondern integriert zunächst Wachzustand und Traumzustand (Traumreise, bildhafte Meditation) und danach diesen Zustand mit dem Tiefschlafbewußtsein (Gedankenstille, reines Bewußtsein). Der Weg vom Wachbwußtsein in den Tiefschlaf ist eine Analogie zu dem Weg vom Diesseits ins Jenseits – beide führen zu der Seele.

Dieser Zusammenhang wird im tibetischen Totenbuch am deutlichsten, in dem die tibetisch-buddhistischen Meditationen direkt von den Erfahrungen während des Todes abgeleitet wurden – vor der Inkarnation gab es nur die Seele und nach der Inkarnation wird nur die Seele sein, sodaß der meditative Weg zurück zu dem Zustand vor der Zeugung oder voraus zu dem Zustand nach dem Tod auch der Weg zur eigenen Seele, zur eigenen Essenz ist.

Wie die EEG-Messungen an Embryos zeigen, ist der Embryo während des ersten Monats ausschließlich im Tiefschlafbewußtsein (2-4Hz), ab dem 2. Monat zeitweise auch im Traumbewußtsein (4-8Hz) und erst ab dem neunten Monat auch im Wachbewußtsein (8-16Hz) – der Erregungszustand (16-32Hz) tritt erst mit der Geburt auf. Dies zeigt, daß derTiefschlaf der ursprünglichste und daher der mit der Seele verbundene Bewußtseinszustand ist.

Viele Meditationen wurden wegen der Verbindung des Meditationszustandes mit dem Tod ursprünglich und z.T. auch heute an „Todesorten“, also in Totentempeln, auf Friedhöfen, Gräbern und Leichenverbrennungsplätzen durchgeführt.

Am deutlichsten zeigt sich der Zusammenhang zwischen Meditation, Traumreise und der Jenseitsreise des Schamanen bei den alten Ägyptern, in deren Begräbnisritual man Abbildungen des Sem-Priesters (Schamanen) findet, in der er sich in ein Leichentuch hüllt und so zusammenkauert, wie man im alten Ägypten ungefähr bis zur Gründung des Alten Reiches die Toten bestattete: in kauernder „Embryonalstellung“.


Die zweite Methode, die Ekstase, setzt an dem Erlebnis der Kraft an, die in den Schamanen einströmt, wenn er den Kontakt mit seiner Seele und mit den Ahnen und später den zu Gottheiten „angewachsenen“ Ahnen herstellt. Diese Methode ist möglicherweise die ältere der beiden Methoden, da sie sich auch in dem archaischen Jagdzauber wiederfindet, in dem sich der Jäger mit dem Großraubtier identifiziert und so seine Kraft erlangt.

Die Ekstasemethode ist vor allem der wilde, pantomimische Tanz. Am deutlichsten hat sich dieser Tanz als spirituelle Methode bei den „wirbelnden Derwischen“, einem Sufi-Orden (islamische Mystiker), erhalten, die Tänze, bei denen man um bisweilen stundenlang um die eigene Achse kreist, als Trancemethode benutzen. Die schamanischen Trancetänze werden fast immer von Trommeln und Rasseln begleitet, die oft von den Tänzern selber gespielt werden. Auf die Trommeln wird dabei oft eine Landkarte der Geisterwelt gemalt und auch die Rasseln haben oft eine solche symbolische Gestalt. So hat z.B. das altägyptische Sistrum (Zeremonialrassel) einen Stil, der den Weltenbaum darstellt, der oben in dem Kopf der Mutter- und Himmelsgöttin (Hathor, Nut) endet, auf dem sich ein metallenes Oval befindet, daß den Himmelsraum darstellt, in dem sich schließlich links und rechts drei bis sechs Löcher befinden, durch die Metallstäbe in der Gestalt von Schlangen (Lebenskraft) gesteckt werden, die dann in diesem Rahmen hin und herschlagen können und so den Ton erzeugen. Bei dieser Rassel ist der Weltenbaum ist der Weg, der zu der Himmelsgöttin Hathor führt, die dann dem Trancetänzer ihre magische Schlangenkraft verleiht. Eine späte Variante des Tranceinstrumentes des Schamanen ist die Harfe, auf der Grieche Orpheus zauberkräftige Lieder spielte und mit der Druide Taliesin verschiedene Wunder vollbrachte.

Die Schamanen tragen in allen Kulturen als ihr Abzeichen das Fell des Großraubtiers (Löwe, Tiger, Puma, Jaguar, Panther, Bär ...). Die Tänzer halten des öfteren Fackeln in ihren Händen, die vermutlich ein Symbol der Lebenskraft sind, die in ihnen bei ihrem Tanz aufsteigt. Bisweilen halten sie in ihren anderen Hand auch noch ein Messer, vermutlich als Zeichen ihrer Macht. Diese Symbolik reicht von den allerältesten altsteinzeitlichen Höhlenmalereien über die jungsteinzeitlichen Tempelmalereien und die frühen Hochkulturen von Ägypten, Mesopotamien und Mittelamerika bis in die Symbolik, die sich noch heute bei Naturvölkern auffinden läßt.

Eine wichtige Symbolik im Zusammenhang mit der Kraft, die bei der Ekstase im Körper aufsteigt, ist die Sexualität, die sich als Bild für die aufsteigende Lebenskraft schon in den Pyramidentxten findet und die insbesondere in Indien im Kundaliniyoga und in Tibet in der Tummomeditation weiterentwickelt worden ist.


Es lohnt sich, diese beiden Methoden noch ein wenig genauer anzusehen. Wenn die Meditation und die Ekstase tatsächlich die ältesten Therapieformen sein sollten, sollten sie sich auch in den moderneren Therapieformen wiederfinden, da sich ja alles, was funktioniert, letztlich als Methode auch durchsetzt.

Die Meditation läßt sich in ihren einfacheren Formen recht einfach wiederfinden: Sie ist die Betrachtung und die Innenschau, die in fast allen Therapieformen vorkommt. Dabei blickt man innen und betrachtet die eigenen inneren Bilder, Gedanken und Gefühle, freundet sich mit ihnen an, hilft ihnen und heilt sie.

Eine spezielle Form dieser Meditation, die eine Weiterentwicklung des Erlebnisses der Begegnung des Schamanen mit den Ahnen ist, ist die Familienaufstellung. Dabei wird das Bild einer Familiensituation durch eine Gruppe von Menschen dargestellt und geheilt. Dieses Bild zunächst nicht bekannt, aber sobald eine Person z.B. den Großvater darstellt, übernimmt sie auch dessen Charakter, d.h. sie wird z.B. grantig und hinkt mit dem rechten Bein, wenn sie geht – in der Familienaufstellung sind die einzelnen Personen so konkret über die Lebenskraft mit den betreffenden Ahnen (oder noch lebenden Personen) verbunden, daß sie tatsächlich wie diese handeln, ohne sie zu kennen. Dies entspricht dem Schamanen im Jenseits im Gespräch mit den Ahnen der Person, die er heilen will – auch der Schamane sieht diese Ahnen, wie sie wirklich waren, ohne daß er sie vorher gekannt hätte.

Um die Ekstasemethode zu verstehen, ist es sinnvoll, vorher noch einmal die Vorgänge bei einer Traumabildung und bei der Traumaauflösung zu betrachten. Ein Trauma entsteht in einer aussichtslosen Situation: vor sich ein hungriger Löwe und sichein tiefer Abgrund. Die normale Reaktion in Gefahrensituationen ist entweder Flucht oder Angriff. Wenn beides nicht möglich ist, passiert etwas anderes: Die Seele und die Lebenskraft verlassen den Körper – man wird ohnmächtig. Die betreffende Person erlebt dies so, daß sie plötzlich aus ihrem Körper austritt und über sich schwebt und sich und der Situation zuschaut.

Wenn sie nun tatsächlich stirbt, löst sich ihr Lebenskraftkörper auf und ihre Seele geht ins Jenseits zu den Ahnen. Wenn sie jedoch überlebt, weil z.B. der Löwe durch andere Menschen abgelenkt wird, kehrt sie in ihren Körper zurück. Wenn die Gefahrensituation länger anhält, wird sie in der Regel an den Jenseitsfluß oder ein anderes Symbol für den Übergang zum Totenreich gelangen und dort ihren Ahnen begegnen und dabei auch ihre eigene Seele wahrnehmen – die ja schon vor der derzeitigen Inkarnation der betreffenden Person existierte und auch noch nach ihrem Tod existieren wird.

In einer solchen Gefahrensituaion wird die gesamte Lebenskraft auf den Bereich des Körpers oder genauer gesagt auf das Chakra konzentriert, das der Person in dieser Person die größte Hoffnung auf ein Überleben zu bieten scheint. Dieses Chakra hängt ganz davon ab, welche Situation das Trauma ausgelöst hat. Ein Lebenskraftstau in den drei unteren Chakren ist in der Regel eine Art des Kampfes und ein Lebenskraftstau in den drei oberen Chakren ist in der Regel eine Art der Flucht.

1. Das Wurzelchakra ist der Kontakt mit der Welt – die Lebenskraft fließt daher dann in das Wurzelchakra, wenn man seine Hoffnung darin sieht, sich an jemandem festzuhalten oder jemanden zu Hilfe zu rufen zu können.

2. Das Hara ist die Abgrenzung - die Lebenskraft fließt daher dann in das Hara, wenn man seine Hoffnung darin sieht, seine Grenzen und seine Ansprüche noch verteidigen zu können.

    3. Das Sonnengeflecht ist die körperliche Selbstbestimmtheit - die Lebenskraft fließt daher dann in das Sonnengeflecht, wenn man seine Hoffnung darin sieht, das, was die Gefahr auslöst, durch scheinbare „Selbstvergrößerung“ („Aufplustern“) beeindrucken zu können.

4. Das Herzchakra enthält die Identität der Person – dieses Chakra verschließt sich bei fast jedem Trauma zusätzlich zu dem Lebenskraftstau bzw. Lebenskraftloch in zweien der sechs äußeren Chakren, weil man durch die Gefahr nicht mehr in sich selber (im Herzchakra) ruht, sondern ganz auf die Gefahr im außen konzentriert ist.


5. Das Halschakra ist der Kontakt mit anderen Menschen - die Lebenskraft fließt daher dann in das Halschakra, wenn man seine Hoffnung darin sieht, der Gefahr dadurch ausweichen zu können, das man ganz unscheinbar wird und sich versteckt.


6. Das Dritte Auge ist die Orientierung in der Welt - die Lebenskraft fließt daher dann in das Dritte Auge, wenn man seine Hoffnung darin sieht, irgendwo noch einen Fluchtweg oder Ausweg zu finden.


7. Das Scheitelchakra ist die Verbindung zur geistigen Welt - die Lebenskraft fließt daher dann in das Wurzelchakra, wenn man seine Hoffnung darin sieht, von außen göttlichen, geistigen, magischen Beistand zu erhalten.


Die Situationen, die ein Trauma auslösen können, können sehr verschieden sein. Ihr Gemeinsamkeit ist das Gefühl des Betroffenen, nicht mehr handlungsfähig zu sein und sich aus der Gefahrensituation nicht mehr retten zu können. Zu den auslösenden Situationen zählen Verlassenwerden, Gewaltanwendung, Unterdrückung, Krieg, Vergewaltigung, Operationen, Unfälle usw.

Normalerweise löst sich die Konzentration der Lebenskraft auf das Chakra, mit dessen Qualität der Betroffene zu überleben hoffte, nach dem Ende der Gefahrensituation wieder auf. Dieses Auflösen des Energiestaus zeigt sich dann als Schütteln, Zittern, Schreinen, weinen u.ä., wobei das Schütteln am weitesten verbreitet ist. Dieses Schütteln sieht aus wie das Schütteln eines Hundes, der aus dem Wasser kommt und sich trocken schüttelt und dabei mit dem Schütteln am Kopf beginnt und am Schwanz endet.

Wenn Gefahrensituationen jedoch lange dauern, sich oft wiederholen oder die Person an der Auflösung des Lebenskraftstaus durch Schütteln gehindert wird, „rastet“ dieser Zustand des Lebenskraftkörpers ein und es entsteht ein dauerhafter Stau in dem betreffenden Chakra. Da sich die sechs äußeren Chakren drei zusammenhängenden Paare bilden, findet sich in dem gegenüberliegenden Chakra jeweils ein „Lebenskraftloch“. Durch diesen Lebenskraftstau in dem einen Chakra und das Lebenskraftloch in dem anderen Chakra ergibt sich dann eine so starke Prägung des Charakters des Betreffenden, daß dieser in dem betreffenden Bereich nur noch reflexhaft handeln kann und weitestgehend seine Wahrnehmungs- und Handlungsfreiheit verliert, da er (meist unbewußt) völlig auf die ehemalige Gefahrensituation fixiert ist. In dem Bereich, in dem sich die Lebenskraft staut, kommt es zu aggressivem, energiereichem Verhalten, und in dem Bereich, in dem sich ein Lebenskraftloch befindet, kommt es zu depressivem, also energiearmem Verhalten.

Man kann sich die erstarrte Lebenskraft, also ein Trauma, wie einen psychischen und z.T. auch körperlichen Krampf vorstellen, der durch den Schock in der traumaauslösenden Situation entstanden ist. Die Heilung bei einem Trauma verläuft ähnlich wie bei einem rein körperlichen Krampf: Der krampfende Muskel wird wahrgenommen, dann angespannt bis die Spannung die des Krampfes übersteigt, wonach dann den Muskel langsam wieder entspannt wird, wobei sich sowohl die willkürliche Spannung als auch der Krampf auflösen – das Trauma, also die verkrampfte Lebenskraft (Stau) wird wahrgenommen, man läßt die ganzen heftigen Emotionen zu, die in der Erinnerung an das traumaauslösende Ereignis liegen und gerät dabei ins Zittern oder Schütteln, das nach einer Weile den Krampf in der Psyche/Lebenskraft auflöst.

Es ergeben sich (kurz gefaßt) sechs verschiedene psychische Grundmuster, die durch ein Trauma ausgelöst werden können:


A. Trauma in den Chakren des Kontaktes:


1. Lebenskraftstau im Wurzelchakra und Lebenskraftloch im Scheitelchakra: Suche nach Kontakt => Sucht


2. Lebenskraftstau im Scheitelchakra und Lebenskraftloch im Wurzelchakra: Aufgeben und Verdrängen jedes Kontaktwunsches => Askese


B. Trauma in den Chakren der Abgrenzung:


3. Lebenskraftstau im Hara und Lebenskraftloch im Halschakra: seine Grenzen vehement verteidigen und ausdehnen und kaum noch die anderen sehen => Herr (Macht, Sadismus, Grenzen verletzen)


4. Lebenskraftstau im Halschakra und Lebenskraftloch im Hara: seine Grenzen aufgeben und nur noch die anderen sehen => Sklave (Ohnmacht, Masochismus, die eigenen Grenzen werden verletzt)


C. Trauma in den Chakren des Selbstausdruckes:


5. Lebenskraftstau im Sonnengeflecht und Lebenskraftloch im Halschakra: sich „aufplustern“ und kaum noch die anderen sehen => Größenwahn


6. Lebenskraftstau im Halschakra und Lebenskraftloch im Sonnengeflecht: sich „kleinmachen“ und nur noch die anderen sehen => Minderwertigkeitskomplex


Es kommt bei jedem dieser sechs Muster auch immer wieder einmal vor, daß der Betreffende auch einmal in seinen Gegenpol fällt, d.h. jedes der drei Themen hat zwei Pole, die sich gelegentlich abwechseln: Sucht und Askese, Macht und Ohnmacht, Größenwahn und Minderwertigkeitskomplex.


Die Meditationstechnik der Schamanen geht auf die Astralreise, die bei einem Nahtoderlebnis bzw. bei einer traumaauslösenden Erlebnis (was meistens dasselbe ist) auftritt, zurück. Die Ekstasetechnik der Schamanen geht, wie durch die Phänomene, die bei der Entstehung und der Auflösung von Traumata auftreten, deutlich wird, auf das Schütteln zurück, durch die sich der Lebenskraftstau wieder auflöst.

Die erste ausführliche Darstellung dieser „Schütteltherapie“ aus moderner Zeit stammt von Wilhelm Reich, der sich ausführlich mit der Lebenskraft, die er „Orgon“ nannte, und ihrer Dynamik befaßt hat. Nach seinen Forschungsergebnissen wird die Handlungsfreiheit eines Menschen durch die sogenannten Charakterpanzer, die sich in einzelnen Körperbereichen (Energiestau in einem Chakra) befinden, ausgelöst, die sich schließlich durch eine passende Therapie schließlich im Orgasmusreflex, den reich also ein heftiges, unwillkürliches Zucken und Schütteln des Körpers beschreibt, auflösen kann, woraufhin die Lebenskraft im Körper wieder frei fließt.

Dieses Schütteln findet sich auch in der „Kundalinimeditation“ genannten „Tanztherapie„ von Bagwan/Osho, bei der die Tänzer sich in einer der Phasen des Tanzes heftig schütteln und „ausflippen“ dürfen. Dieses Schütteln findet man auch in religösen Zusammenhängen, z.B. in den Gottesdiensten der „Shakers“, die nach diesem Schütteln benannt worden sind. Ebenfalls mit diesem Schütteln verwandt ist die Urschreitherapie von Janov, da dieser heilende Schrei bisweilen in ein Schreien und in ein Schütteln übergehen kann.

In der Traumatherapie wird die Heilung des Traumas dann erreicht, wenn das Schütteln eintritt, was der Betroffene als eine Art von emotionalem Erdbeben erlebt, das er nicht mehr lenken kann, und wenn er zugleich ein Erlebnis oder eine Vorstellung hat, die eine Auflösung und Lösung des Angstbildes darstellt: z.B. die Gebeorgenheit bei der Mutter statt des Verlassenwerdens (Kontakt), ein erfolgreicher statt eines verlorenen Kampfes (Abgrenzung) oder eine Situation, in der man das, was man ist, leben kann, statt sich klein oder groß machen zu müssen (Selbstausdruck).

Dieses heilende Bild während des Schüttelns findet sich im Schamanismus in den helfenden Ahnen wieder, auf die sich der Schamane konzentriert und denen er vertraut. Später treten dann an die Stelle der Ahnen die Gottheiten oder der eine Gott. Eine Weiterentwicklung dieser Technik ist die sogenannte Invokation („Hereinrufung“), bei der sich der Invozierende mit einem Ahn, einer Gottheit oder mit dem einen Gott identifiziert.

Durch das Schütteln beginnt die Lebenskraft im Körper wieder frei zu fließen. Dieses freie Fließen ist auch das Ziel des indischen Kundaliniyogas und der ihm nah verwandten tibetischen Tummomeditation. Dies sind beides meditative Methoden, die die Lebenskraft wieder in Fluß bringen. Daher ist es nicht verwunderlich, daß im Verlauf dieser Meditationen heftige emotionale Zustände auftreten können, wenn die Lebenskraft vom Wurzelchakra aus bis zu einem Chakra aufgestiegen ist, das sich in einem traumatisierten Zustand befindet. Dann treten auch oft Schütteln, Zucken und ähnliches auf.

Durch die Konzentration auf die Bilder der geheilten Zustände der Chakren sowie durch die Atemübungen, die das freie Fließen der Lebenskraftkraft anregen, können sich diese Traumata und mit ihnen die durch sie entstandenen heftigen Zustände schließlich auflösen. In diesen beiden Meditationen erschafft man in seinem Inneren zum einen ein so intensives Bild des geheilten Zustandes und zum anderen regt man den Fluß der Lebenskraft durch die Atmung und die Imagination so sehr an, daß man schließlich mit den evtl. vorhandenen Traumata in Kontakt kommt und sie bewußt werden und sie sich in Schütteln und in heftigen Gefühlen auflösen können.

Die schamanischen Techniken, die vor allem aus der Meditation, der Ekstase und dem Kontakt mit den Ahnen bestehen, finden sich also in den Phänomenen im Zusammenhang mit der Entstehung und der Auflösung eines Traumas und auch in psychologischen Methoden wieder:


 

schamnische Technik               Trauma                                        Psychologie

Astralreise, Meditation             Astralreise, Nahtoderlebnis        Innenschau

Schütteln, Ekstasetechnik        Schütteln, Traumaauflösung      Emotionen ausdrücken

Hilfe von den Ahnen                Bild der Heilung                        Ziele, Vertrauen

 

Interessant für die Betrachtung des Magiers ist hier vor allem die Tatsache, daß die schamanischen Methoden und ihre späteren Nachfolger vor allem darauf abzielen, die Lebenskraft im Körper wieder frei fließen zu lassen, was unter anderem zu einer uneingeschränkten Wahrnehmung und einer umfassenden Handlungsfreiheit führt. Zusammen mit der Astralreise bildet diese Lebenskraft, die sich frei bewegen kann, die Grundlage für die Wunder, die die Magier vollbringen.

In früheren Formen wird diese Lebenskraft mehr oder weniger als einfache Substanz aufgefaßt, so wie sie z.B. in Indien mit dem Begriff Prana oder im alten Ägypten mit dem Begriff Ankh beschrieben wurde, während sie in späterer Zeit auch oft personifiziert wird wie z.B. in Indien als die Kundalinischlange, und oft auch zudem als direkter Ausdruck des einen Gottes angesehen wie z.B. der Heilige Geist im Christentum – aber es ist immer diese Lebenskraft, mit deren Hilfe die verschiedenen Wunder von der Telepathie bis zur Auferweckung von Toten vollbracht werden.

Dieses Fließen der Lebenskraft als Ausdruck und Kennzeichen des heilen Organismus wurde am poetischsten und auch am optimistischsten von Lao-tse in seinem Tao-tê-king beschrieben: das Fließen ist stärker als die Starre und man muß das Fließen nur wieder zulassen, damit man wieder gesund wird und wieder in Einklang mit dem gesamten Lebenskraftfluß in der Welt gelangt – wodurch dann alle Taten mühelos und vollkommen werden.

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Dieses Erlebnis der Jenseitsreise und der dabei erlangten Lebenskraft hat sich im Verlauf der verschiedenen Phasen der Entwicklung der menschlichen Zivilisation immer wieder verändert und weiterentwickelt. Diese aufeinanderfolgen-den Phasen sind die Altsteinzeit, die Jungsteinzeit, das Königtum, der Materialismus und das heute beginnende spirituell-ökologische Weltbild.


Die Altsteinzeit entspricht in der individuellen Biographie der oralen Phase: die Welt ist überall gleich, so wie sie vorgefunden wurde und der Mensch lebte aus ihr heraus, ohne sie in nennenswerter Weise zu prägen. Die Mutter war wie in der ältesten (oralen) Schicht der der Psyche die zentrale Gestalt und die Psyche wurde durch Assoziationen strukturiert. Die Lebenskraft, die sich im Blut, der Farbe rot, im Atem, in der Stärke der Raubtiere und in der Bewegung zeigte, war einer der wichtigsten „abstrakten Begriffe“. Der Schamane war das Verbindungsglied zwischen Menschen und Ahnen, Diesseits und Jenseits, Körper und Lebenskraft, den Menschen und der Mutter aller Dinge.

Die Unterwelt wurde in den tiefen Wassern vermutet und die Seelen stellte man sich als Vögel vor – wie wiederum die Höhlenmalereien zeigen. Aus dieser Kombination dieser verschiedenen Symbole ergab sich, daß ein roter Wasservogel das passendste Symbol für die Seele war: der Vogel steht für die Astralreise, das Wasser für die Unterwelt und die rote Farbe für die Lebenskraft. Daher findet sich fast überall, wo es den Flamingo gab, der Flamingo als Seelenvogel. Am bekanntesten ist dies von den Keramikbildern aus dem Alten Ägypten aus den zweitausend Jahren vor der Gründung des ägyptischen Reiches.

Da der Schamane die größte magische Macht, also die meiste Lebenskraft hatte, wurde die Seele des Schamanen des öfteren als der größte Raubvogel aufgefaßt. Das bekannteste Beispiel für diese Symbolik ist sicher Merlin, dessen Name „Falke“ bedeutet.

Später findet sich diese Raubvogel-Symbolik auch bei Königen wie z.B. beim Pharao, dessen Seele der Falkengott Horus war. Der Raubvogels als Symbol der Seele des Schamanen und des Großraubtiers als Symbol der magischen Kraft des Schamanen ging später allgemein auf die Königssymbolik über und findet sich noch heute in vielen Staatswappen.

Der Schamane, das Großraubtier und der Raubvogel sind bisweilen (vermutlich während der Jungsteinzeit) zu einem einzigen Symbol verschmolzen, von denen die Sphinx sicher am bekanntesten ist, die den Leib eines Löwen, den Kopf eines Menschen und bisweilen die Flügel eines Falken hat – und die, wie es für ein Schamanensymbol naheliegt, den Eingang zum Jenseits am Fuße der Pyramide oder des Weltenbaumes bewacht. Ähnliche Kombinationen gibt es vor allem noch in den verschiedenen Kulturen in Mesopotamien.

Das Horusauge in einem Dreieck, das sich bei den Freimaurern und auch sonst des öfteren als Gottessymbol findet, entspricht der Sphinx: das Auge eines Menschen, unter dem Auge der Fleck, der sich unter dem Auge des Falken befindet, und daneben die geschwungene Linie, die sich unter dem Auge eines Panthers befindet – und das Ganze in bzw. vor einem Dreieck, das die Pyramide darstellt, die eine architektonische Darstellung des Weltenberges ist, der in das Himmels-Jenseits führt.

Eine sehr alter Brauch der altsteinzeitlichen Menschen hat ebenfalls seine Spuren im Schamanismus hinterlassen: der Kannibalismus. In ganz alten Funden zeigt, sich, daß die Menschen damals auch die Knochen ihrer Verstorbenen mit Steinwerkzeugen öffneten, um an das Mark heranzukommen. Dies wird ursprünglich einfach nur der Ernährung gedient haben. Später, als die Vorstellung einer Lebenskraft und einer Seele deutlicher wurde, also spätestens seit es seit ca. 280.000 Jahren Bestattungen gibt, wird damit auch die Vorstellung verbunden gewesen sein, die Kraft des Verstorbenen in sich aufzunehmen. Diese Form des Kannibalismus läßt sich weltweit wiederfinden – selbst an so unerwarteten Stellen wie den Pyramidentexten.

Im Schamanismus findet sich sehr häufig das Motiv, daß der Schamane, wenn er das erste Mal in der Unterwelt ist, dort von den Ahnen, Dämonen oder Göttern zerstückelt wird und anschließend wieder zusammengesetzt wird. Dieses Zerstückeln geht auf den Brauch des Kannibalismus zurück. Diese Szenerie wird bisweilen durch das Kochen des zerstückelten Körpers des Schamanen in einem Kessel ergänzt, was sich in vielen Geschichten über Hexen in der einen oder anderen Form wiederfindet. In den Kessel warfen die Ahnen oder Götter dann noch zusätzlich Bergkristalle, die man als Teile des Himmelsgewölbes auffaßte, oder sie spukten in den Kessel – durch die Bergkristalle bzw. den Speichel, die sich dann nach der Auferstehung des Schamanen in dessen Körper befanden, erhielt er eine dauerhafte Verbindung zum Jenseits.

Die Speichel-Symbolik findet sich z.B. noch in der germanischen Götteredda bei der Beschreibung der Herstellung des Göttermets, der den Göttern ihre Unsterblichkeit verlieh. Die Kannibalismussymbolik des Kessels und die jungsteinzeitliche Symbolik des Unsterblichkeitstrankes, der die Milch der Muttergöttin symbolisiert, sind in späterer Zeit weitestgehend miteinander verschmolzen, da es in beiden Fällen um die Herstellung einer Speise bzw. eines Getränkes geht, das die Wiedergeburt im Jenseits bzw. die Unsterblichkeit oder die Erleuchtung im Diesseits zum Ziel hat.

Die bekannteste jungsteinzeitliche Mythe mit dieser Zerstückelungssymbolik ist die Osiris-Mythe, in der dieser Gott in 42 Teile zerstückelt und anschließend von Isis, die hier die Mutter aller Dinge ist, wieder zusammengesetzt (= wiedergeboren) wird. Die bekannteste moderne Version dieser Symbolik findet sich im vierten Band des „Harry Potter“-Romans, in dem Voldemort mithilfe des Fleisches seines Dieners Wormtail, den Knochen seines Vaters und Harrys Blutes aufersteht und dadurch vor allem zu Harry eine magische Verbindung erhält, so wie die Schamanen durch den Speichel der Ahnen zu diesen Ahnen eine magische Verbindung erhielten.


Die Jungsteinzeit entspricht in der individuellen Biographie der analen Phase, in der man zu unterscheiden und auszuwählen und zu formen und zu sprechen beginnt: Ackerbau und Viehzucht beginnen, Ackerland und Wildnis werden unterschieden, erste Dörfer werden gegründet, und eine komplexere Sprache, die auf Analogien und Vergleichen beruht und eine erste einfache Grammatik hat, entsteht. Aus den einzelnen Worten werden Sätze, aus den Bildern werden Urbilder, aus dem Bezeichnungen für Konkretes werden nun Bezeichnungen für Gruppen, Sorten, Typen.

Diese erste Stufe der Abstraktion, die alle Dinge in einteilt und zu bestimmten Gruppen zuordnet, statt jedes einzeln zu betrachten, führt zu einer Typisierung des Schamanismus. Vorher erlebte ein Mensch stets individuell auf seine Weise einen Beinahe-Tod und erwarb dadurch die Verbindung zum Jenseits, während es nun sozusagen ein bekanntes Muster gab, nach dem man Schamane wurde. Dieses Muster enthielt zum einen den Beinahe-Tod durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit und zum anderen das Üben der Astralreise unter Anleitung eines erfahrenen Schamanen.

Aus der Erinnerung an einen besonders fähigen Schamnen entwickelte sich dann das Bild des „Schamanen an sich“, also ein Urbild, dem man dann nacheifern konnte. Aus diesem Urbild des „Große und Ersten Schamanen-Ahnen“ entwickelten sich dann nach und nach die Schamanengötter, also die Gottheiten und Halbgötter, deren Mythologie deutliche schamanische Züge aufweist wie Odin, Indra, Tammuz, Bes, Orpheus usw.

In der Altsteinzeit wurde man sozusagen unfreiwillig „per Unfall“ und das darauf folgende Nahtoderlebnis (wenn man den Unfall überlebte) zum Schamanen – nun in der Jungsteinzeit ergab sich nach und nach auch die Möglichkeit, ohne den vorhergehenden Unfall die Jenseitsreise erleben zu wollen. Dies war prinzipiel möglich, aber in vielen Kulturen galt der „Schamane aus Eigeninitiative“ als nicht so zuverlässig wie der „Schamane durch Nahtoderlebnis“.

Das Weltbild der Jungsteinzeit war konzentrisch: in der Mitte der Weltenbaum, der Himmel und Erde, Diesseits und Jenseits verbindet, darumherum das Dorf, darum herum das Ackerland, darum herum dann die Weiden und ganz außen schließlich die Wildnis. Der Weltenbaum wurde schon in der allerersten Stadt, in Jericho, das um ca. 10.000 v.Chr. gegründet wurde, durch einen Turmbau in der Mitte der von hohen Mauern geschützten Stadt ersetzt, aus dem dann später die Pyramiden wurden.

Mit dem nun beginnenden Ackerbau, für den die Kenntnis der Jahreszeiten wichtig war, die man von dem Stand von Sonne, Mond und Sterne ableiten konnte, verschob sich die Vorstellung vom Jenseits allmählich von den tiefen Wassern zum Himmel hinauf, den man oft auch als ein großes Meer auffaßte. Dabei entstand dann das Bild der Seelen als Sterne. Der Himmel war nun an die Stelle der tiefen Wasser auf der Erde als der „unerreichbare Ort“, also das Jenseits getreten. Daher wurden der Weltenbuam und der Turm die Symbole für den Weg ins Jenseits und zurück.

Der Trum als Symbol der Verbindung von Himmel und Erde, auf dessen Bau schon gleich bei der Gründung der allerersten Stadt die meiste Mühe verwandt wurde, wurde neben dem Fell des Großraubtiers zu dem zweiten Abzeichen des Schamanen in Form des (Zauber-) Stabes. Später übernahmen auch die Könige diese Symbolik in Form des Szepters. Der Stab drückt die Verbundenheit des Schamanen mit dem Himmel und somit dem Jenseits aus. Auch die weiblichen Schamanen trugen diesen Stab als ihr Zeichen: So hießen z.B. die germanischen und die keltischen Seherinnen, die beide in hohen Türmen lebten, wörtlich „Stabträgerinnen“ - Wala bzw. Weleda. Noch später in den Märchen finden sich dann die verschiedensten Türme wie z.B. der Turm, in dem die Hexe Rapunzel gefangen hält. Noch später ist der Turm, in dem der Zauberer wohnt, ein beliebtes Thema der Fantasy-Literatur wie z.B. im Herrn der Ringe (Orthanc, Barad-Dur u.a.).

Aus der Jenseitsreise des Schamanen und dem Ackerbau entstand dann das zentrale Gleichnis der Jungsteinzeit zwischen dem Leben der Menschen und dem Wachstum des Getreides:


Säen - Zeugung

Keimen der Saat - Geburt

Wachsen des Getreides - Leben

Ernte - Tod

Aussaat - Ankunft bei der Mutter aller Dinge (Große Göttin)

Keimen der Saat - Wiedergeburt


Das Motiv ist ja auch heute noch gut bekannt: der Schnitter als Gerippe, das den Tod bringt und in seiner Hand die Sense hält, mit der das Getreide geerntet wird. An der Stelle des Getreides finden sich manchmal auch andere Nahrungspflanzen wie z.B. in dem Märchen der Gebrüder Grimm der Rapunzel (= Feldsalat) oder am Ende der Götteredda der Mangold („Menglöd“).

Da die Muttergöttin auch als die Mutter aller Pflanzen und Tiere angesehen wurde, erscheint sie in diesen Vorstellungen oft auch als die Personifizierung des Getreides: Menglöd/Mangold ist sowohl eine germanische Göttin als auch das Blattgemüse und der Feldsalat/Rapunzel ist sozusagen ihre kleine Schwester. Am bekanntesten ist vermutlich die Korngöttin Demeter, deren Namen „Gerstenmutter“ bedeutet (Ge = Gerste; meter/mater = Mutter).

Dieses Gleichnis zwischen Mensch und Getreide führte letztlich zu den Auferstehungsgöttern, die alle mehr oder weniger deutlich auch die Korn- und Getreidegötter sind: Tammuz in Babylon, Osiris in Ägypten, Baldur bei den Germanen, Xipe Tlalok bei den Mayas, Obtale bei den Yoruba in Westafrika ... dieser Typ Gottheit findet sich fast überall. Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß dieses Gleichnis, also Tod und Auferstehung der Menschen bzw. des Getreides, auch die Grundlage der Mysterien von Eleusis, der altägyptischen Mysterienspiele und aller anderen geheimen oder öffentlichen Mysterien bildet. Später im Monotheismus wird dann die Jenseitsreise oder der Opfertod des Religionsgründers zu der zentralen Meditation und Identifikationmythe aller Mystiker – wie z.B. Christus.

Nun in der Jungsteinzeit, die nicht mehr wie in der Altsteinzeit von der Assoziation, sondern von dem Gleichnis (Analogie) geprägt war, konnte man, wie gesagt, sich auch aus eigener Initiative heraus dazu entschließen, Schamane zu werden. Zu diesem Zweck ahmte man dann die Jenseitsreise des bekanntesten Schamanen, der möglicherweise schon über das Zwischenstadium des „Großen Ahnen“ zu einer gottähnlichen Gestalt und somit zu einem Urbild geworden war, nach, indem man in einer Höhle, die die Unterwelt symbolisierte, meditierte, oder indem man ekstatische Tänze durchführte und dadurch die Kraft des Jenseits, d.h. der Ahnen und der Mutter aller Dinge in sich hineinrief.

Möglicherweise dienten auch schon die Höhlen mit den Höhlenmalereien aus dem Ende der Altsteinzeit solchen rituellen Unterweltsreisen – einige Bilder zeigen deutlich die zweifache Mutter aller Dinge, die alle Dinge im Diesseits und im Jenseits gebiert, einen tanzenden Schamnanen oder einen liegenden oder (beinahe ?) toten Mann, neben dem sich auf einem Stab sein Seelenvogel befindet.

Da die Meditationen und Tänze, die zu einer Jenseitsreise führen sollten, mit der Unterstützung von erfahrenen Schamanen besser gelangen, ergab sich daraus zum einen die Entstehung der Lehrer-Schüler-Bindung und somit der Übertragungslinien und zum anderen eine standartisierte Form dieser „inszenierten Jenseitsreisen“, also Rituale. Diese Übertragungslinien, in denen das Wissen und die Fähigkeiten über sehr lange Zeiträume von Lehrer zu Schüler weitergegeben wurden, und diese Rituale werden bald einen festen Bestandteil der allgemeinen Schamanenausbildung geworden sein.

Das Wissen, das bei diesen Ausbildungen weitergegeben wurde, war vor allem das Wissen über den Weg in das Jenseits. In der Mythologie zeigt sich dies z.B. in der Szene, in der Odin dem toten Baldur die Anweisungen für den Weg ins Jenseits ins Ohr flüstert, so wie dies auch die sibirischen und viele andere Schamanen tun - die tibetischen Mönche flüstern noch heute den Toten die wesentlichen Teile des tibetischen Totenbuches, das den Weg ins Jenseits und zurück beschreibt, ins Ohr.

Rituale an sich werden schon sehr lange bekannt gewesen sein – es wird sich dabei vor allem um Fruchtbarkeits-, Jagd- und Kraftzauber gehandelt haben.

Aus der Altsteinzeit hat sich der Brauch des Kannibalismus in einem häufigen mythologischen Motiv erhalten: die visionäre Zerstückelung des Schamanen oder bei der Ankunft im Jenseits bzw. die symbolische Zerstückelung des Einzuweihenden in den Mysterien, die sich in der Mythologie am deutlichsten in der Zerstückelung des altägyptischen Toten- und Getreidegottes Osiris findet.

Bisweilen findet sich in diesem Zusammenhang auch das „Motiv des fehlenden Körperteiles“, das zwischen der Zerstückelung und dem Wiederzusammensetzen verlorengegangen oder gestohlen wurde: Am deutlichsten findet sich dies bei Thors Ziegen (fehlendes Bein) und recht bekannt ist auch noch die Horusmythe (fehlendes Auge).


In der nächsten Epoche, die durch das Königtum und den sich allmählich herausbildenden Monotheismus geprägt war, entstand als neues ordnendes Strukturelement das Prinzip, also die zentrale Aussage, von der alles andere abgeleitet wurde. Am deutlichsten ist dies bei dem zentralen Herrschaftssystem mit dem König an der Spitze und dem ihm untergeordneten Beamtenapparat. Dasselbe zeigt sich in der Philosophioe, die sich auch um ein widerspruchsfreies System bemüht, das sich von einer einzigen Grundaussage ableiten läßt.

In dieser Epoche entsteht ein „Beamten“-Priestertum, das seine Autorität durch die Ernennung vom König und durch ihr Wissen erhält. In dieser Zeit bilden sich die drei Stände heraus: König/Adel, Priester und Bauern/Handwerker. Dieses System findet sich im europäischen Mittelalter genauso wie in in den indischen Kasten oder bei einigen indianischen Hochkulturen wie z.B. den Tolteken, Quetchuas (Inkas) und den Mayas.

Sowohl der König als auch die Priester hatten die exklusive Verbindung zu den Gottheiten bzw. zu Gott und waren deren Stellvertreter auf Erden. In der frühen Zeit des Monotheismus war der König ein Gottkönig, d.h. daß in ihm eine Gottheit lebte, die dann nach dem Tod des König in dessen Nachfolger wechselte. So wohnte z.B. der Falkengott Horus in dem ägyptischen Pharao und so wohnt noch heute der Buddha Avalokiteshvara in dem Dalai Lama. Danach entstanden die Form des Priesterkönigs, der also nur während seines Priesteramtes von einer Gottheit bewohnt war – eine Variante davon ist heute noch der Papst, wenn er „ex kathedra“, also unfehlbar spricht. Noch später trennte sich dann das Priesteramt vollständig von dem Königtum, wodurch dann die zwei höchsten Ämter entstanden: das weltliche des Königs und das des geistlichen Oberhauptes wie z.B. der Papst.

Das Symbol der Könige und der Priester war das alte Symbol des Weltenbaumes: der Stab. Er entwickelte sich nun zum Szepter und im Fall der christlichen Kirchen zum Hirtenstab weiter.

Neben diesem Berufspriestertum gabt es aber weiterhin außerhalb dieses Priestersystems die Schamanen, die z.T. als Priester und zum Teil auch völlig unabhängig neben dem Berufspriestertum stehen. Sie erhalten ihre Funktion weiterhin durch das Nahtoderlebnis bzw. durch nun weitgehend geheimgehaltene Rituale und sie erhalten ihre öffentliche Anerkennung nicht wie die Berufspriester durch die mit ihrem Amt verbundene Macht, sondern durch ihre konkreten Fähigkeiten. Daher wurden sie vor allem in Krisen, also bei Krankheiten, Seuchen, Hungersnöten, Todesfällen u.ä. aufgesucht.

Solche Schamanen waren z.B. die altägyptischen Sempriester, der Chilam Balam (= Jaguarpriester) der Mayas oder die indischen Yogis. Fast alle dieser Schamanen trugen weiterhin das Fell des Großraubtiers als das Zeichen ihrer magischen Macht.


Der Chilam Balam bei den Mayas hatte eine Sonderstellung innerhalb des Berufspriestertums aufgrund seiner magischen Macht, die er durch sein Nahtoderlebnis und die darauffolgende Ausbildung erlangt hatte. Er trug als das Zeichen seiner Macht ein Jaguarfell.


Der Sempriester im Alten Ägypten hatte genaudieselbe Stellung wie der Chilam Balam. Er trug als das Zeichen seiner macht ein Pantherfell.


Die hindhuistischen Yogis standen außerhalb der Brahmanenkaste, die in Indien das erbliche Berufspriester-tum bildeten. Ihre Ansichten beruhten teilweise auf den Ansichten der Brahmanen, aber im Mittelpunkt ihres Interesses stand nicht die Durchführung von regelgenauen Reinigungsritualen wie bei den Brahmanen, sondern die eigene Erfahrung. Dabei brachen sie oft sämtliche Tabus, die den Brahmanen auferlegt waren. Sie bildeten aber trotzdem einen festen Bestandteil des spirituellen Gesamtsystems in Indiens. Teilweise trugen sie ein Tigerfell als ihr Zeichen.


Die tibetisch-buddhistischen Yogis wie Milarepa, Padmasambhava oder die nordindisch-buddhistischen Mahasiddhis, die für ihre magischen Fähigkeiten bekannt waren, hatten eine ähnliche Position wie die hindhuistischen Yogis. Die tibetischen Yogis waren allerdings stärker in das System der Lamas integriert, auch wenn es immer wieder (meist fruchtbare) Dispute zwischen den Einsiedler-Yogis und den Kloster-Lamas gab. Im tibetischen Buddhismus steht es jedem Lama frei, den schamanischen Weg der Meditation in der Einsamkeit und der intensiven Suche nach der Erfahrung der letzten Wirklichkeit einzuschlagen.


Der Zauberer Merlin stand außerhalb der Druidenordnung – zumindest tritt sie nirgendwo in den Mythen auf. Er ist der Berater des Königs Artus. Diese enge Beziehung zwischen Schamanen/Magier und König findet sich auch in Indien zwischen dem Adel und den Brahmanen. Oft sind es in Indien auch Prinzen aus dem Adelsgeschlecht, die sich auf den Weg machen, die letztendliche Wirklichkeit zu erkennen und dabei von Yogis lernen und sich in die Einsamkeit zurückziehen. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Prinz Siddharta, der dann zum Buddha wurde.


Ähnlich wie Merlin steht der andere bekannte keltische Zauberer, Taliesin, da. In seiner Mythe wird allerdings mehr die schamansiche Einweihung mit der Unterweltsreise und weniger die Verbindung zum König beschrieben. Wenn man Merlin und Taliesin als zwei Varianten desselben Typs von Zauberer (Druide) annimmt und zusammenfaßt, erhält man das Bild eines Schamanen, der durch eigenen Erfahrungen zu magischer Macht gelangt ist und anschließend den König berät und sich bemüht, die Geschicke des Volkes, zu dem er gehört, zum Besten zu lenken.


Im Buch der Könige im Alten Testament finden sich zwei ganz ähnliche Magier: Elias und sein Schüler Elija. Beide erlangten durch einsame Meditationen in den Bergen eine Verbindung zu Gott, was die monotheistische Entsprechung zu der jungsteinzeitlichen Jenseitsreise ist. Aufgrund dieser Verbindung zu Gott im Himmel, was der früheren Verbindung zu den Ahnen im Jenseits entspricht, hatten sie ihre große magische Macht, mit der sie viele Wunder bewirkten. Auch sie berieten die König ihres Landes oder kritisierten sie auch schon einmal heftig und wurden deshalb bisweilen auch von ihnen verfolgt.


Auch Moses und Aaron sind solche Magier, die sich mit den Magiern des Pharaos einen heftigen Zauberwettstreit geliefert haben und auch anschließend noch viele Wunder vollbracht haben. Moses ist dabei der Typ des Priesterkönigs, der wie heute noch der Dalai Lama zugleich König und Oberpriester ist.


Christus hat ebenfalls wie Moses und Elias viele Wunder vollbracht, aber während Moses noch ein Priesterkönig und Elias zumindest zeitweise ein Königsberater war, ist Christus nur noch Priester, der sich nicht in die Regierungsangelegenheiten einmischt.


Ähnlich wie mit Elias und Elija steht es mit den „Magier“ genannten persischen Schamanen-Priestern, deren magische Fähigkeiten schließlich zu der Prägung des Wortes „Magier“ für einen zauberkundigen Menschen führte.


Von den christlichen Mystikern, den islamischen Sufis und den jüdischen Kabbalisten werden ebenfalls sowohl das Streben nach konkreten spirituellen Erfahrungen und die aus dem Erreichen dieses Zieles resultierende Fähigkeit, die verschiedensten Wundertaten zu vollbringen, berichtet. Unter diesen Mystikern finden sich allerdings keine „Königsberater“ mehr, was wohl vor allem an der starken und dogmatisch gefestigten Stellung des Christentums, des Judentums und des Islams zu dieser Zeit lag. Diese Mystiker bewegten sich daher auf einem schmalen Grat zwischen Erneuerung und Belebung der dogmatischen Religion und der Gefahr der Todesstrafe wegen Ketzerei.


In der auf das Königtum und den Monotheismus folgenden Epoche des Matrialismus gab es zunächst einmal einen Bruch mit der Tradition des Schamanismus, also der eigenen, konkreten spirituellen Erfahrungen. Dieser Faden wurde dann von der Psychologie in veränderter Weise wieder aufgenommen und durch eine detaillierte Sachkenntnis der menschlichen Psyche bereichert. Der Nachfolger der Schamanen in dieser Epoche waren also die Therapeuten, die nicht nur eine theoretische Ausbildung hatten, sondern ihr Fähigkeiten durch eine grundlegende Selbstheilung erlangt hatten.


Das zur Zeit neu entstehende spirituell-ökologischen Weltbild ist geprägt von Selbsterfahrung, von der Verbindung von Spiritualität und Wissenschaft, sowie von Vertrauen und Verantwortung als Ausdruck eines neuen Lebensgefühles, daß den Einzelnen als Teil eines alles umfassenden Organismus erlebt. Ein spezieller Aspekt dieses „Weltbildes des Erwachsenseins“ nach dem „Weltbild der Pubertät“ des Materialismus ist die Vereinigung aller bisherigen Weltbilder zu einer umfassenderen Sicht. In Bezug auf den Magier bedeutet dies die Verbindung des altsteinzeitlichen Schamanen, der seine Fähigkeit durch sein Nahtoderlebnis erhielt, des jungsteinzeitlichen Schamanen, der seine Fähigkeiten durch Kraftübertragung, Belehrung, Ritual und Übung erhielt, des monotheistischen Schamanen-Priesters, der sich als einen Funken von gottes Feuer erlebt, und des materialistischen Therapeuten, der die kausalen Zusammenhänge in der Psyche erforscht, mit der neuen Weltanschaung, die die Welt als ein Kontinuum betrachtet, in dem alles mit allem verbunden ist.

Daraus ergibt sich zunächst einmal, daß alle Menschen als prinzipiell weise angesehen werden, daß für jeden eine grundlegende spirituelle Ausbildung förderlich ist, daß jeder Priester sein kann, daß jeder therapeutische Grundkennt-nisse haben sollte, und daß jeder in Vertrauen und Verantwortung in dieser Welt leben kann.

Es ist interessant, daß das Bild des Magiers eine so große Kraft in der Phantasy-Literatur entwickelt hat: Gandalf, Miraculix, Dumbledore und Meister Yoda sind zu Urbildern geworden, in denen deutlich Odin und Merlin einen neuen Ausdruck gefunden haben. Die Wiederintegration der Magie in das materialistische Weltbild ist auch eine der wesentlichen Synthesen des neuen spirituell-ökologischen Weltbildes. Aus dem Spüren, daß die magisch-religiöse Seite der Welt, die der Materialismus verneint hat, ganz real ist und zur Zeit für ein rundes und vollständiges Leben fehlt, ergibt sich die große Anziehungskraft der Magier in den Phantasy-Geschichten.

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Die wesentlichen Merkmale der Magier sind:


- ihre Verbindung ins Jenseits zu den Ahnen, zu den Gottheiten oder zu Gott, was gleichbedeutend ist mit einer Wahrnehmungs- und Handlungsfähiglekit im Bereich der Lebenskraft (und evtl. darüber hinaus), wobei diese Verbindung durch den Zauberstab und das Fell des Großraubtieres symbolisiert wird,


- ihre Fähigkeit, magisch zu handeln und Wunder zu vollbringen, die eben aufgrund dieser Verbindung ins Jenseits bzw. zur Lebenskraft möglich ist,


- ihre Suche nach der allem zugrundeliegenden Wirklichkeit und nach der letzten Wahrheit,


- ihre Übernahme der Verantwortung für das ganze Volk,


- ihre Treue zu den Wesen im Jenseits und somit zu der von ihnen erkannten Wahrheit,


- ihre ausgeprägte Individualität,


- ihre Unterstütung des Königs aber auch ihre Kritik am König,


- ihre Stellung außerhalb der gesellschaftlichen Vorschriften, weil sie nur sich selber und ihren Erkenntnissen und den Ahnen, Gottheiten oder Gott, mit dem sie verbunden sind, treu sind – d.h. ihre Verankerung in einem umfassenderen System als den gesellschaftlichen Regeln.


Diese Liste zeigt, daß die Magier Eigenschaften repräsentieren, die heute hoch geschätzt werden: Authentizität, eine spirituelle Verwurzelung (Urvertrauen) und Entfaltung (Telepathie u.ä.) sowie das Übernehmen von Verantwortung für die ganze Erde (Globalisierung).




Von den verschiedenen Magiern, Yogis, Heiligen, Religionsgründern usw. werden die in der folgenden Liste aufgeführten Wundertaten berichtet, wobei diese Liste sicherlich nicht vollständig ist. Von den Sufis sind nur wenige Wundertaten bekannt, da es ihnen streng verboten war, ihre Fähigkeiten in der Öffentlichkeit zu zeigen. Die folgenden wundertätigen Personen und Personengruppen sind natürlich auch nur eine Auswahl und keineswegs eine vollständige Aufzählung, wobei sich die auffällige Häufigkeit der biblischen Gestalten nur daraus ergibt, das sie in unserer Kultur am bekanntesten sind und sich daher zur Illustration besser eigenen als z.B. die hierzulande deutlich weniger bekannten 84 buddhistischen Mahasiddhis aus Nordindien.

 

Gehen über Wasser: altägyptische Sem-Priester, hindhuistische und buddhistische Yogis, Milarepa, Christus, Petrus

Kranke heilen: Schamanen, Sempriester, hindhuistische und buddhistische Yogis, Milareapa, Padmasambhava, Elisa, Christus, Petrus, christliche Heilige, Sufis

Tote erwecken: Yogis, Milarepa, Elisa, Christus

Fliegen, Levitation: Sem-Priester, Yogis, Milarepa, Padmasambhava, christliche Heilige, Mohammed

Nahrung vermehren: Sem-Priester, Yogis, Elisa, Christus

durch Fels gehen u.ä.: Yogis, Milarepa

an zwei Orten gleichzeitig sein (Bilokation): Milarepa, christliche Heilige

unbeschadet Gift trinken: Yogis

körperliche Auferstehung: Yogis, Milarepa, Christus

Zerstückelung und Wiederbelebung von Lebewesen: Sem-Priester, Milarepa

Herbeirufen von Krankheiten u.ä.: Sem-Priester, Yogis, Milarepa, Moses

Erkennen von Verborgenem: Yogis, Milarepa, Christus

Telepathie: Schamanen, Sem-Priester, Yogis, Milarepa, Elisa, Christus, christliche Heilige, Sufis

die Zukunft vorherwissen: Schamanen, Sem-Priester, Yogis, Milarepa, Elias, Christus, christliche Heilige, Sufis

sich in andere Gestalten verwandeln: Schamanen, Sem-Priester, Yogis, Milarepa, Taliesin

tagelang ohne Luft auskommen: Yogis

jahrelang keine Nahrung brauchen: Yogis, christliche Heilige, Sufis

innere Hitze produzieren (in Schnee und Eis leben): Yogis, Milarepa, Padmasambhava

Verfluchungen:  Schamanen, Sem-Priester, Yogis, Milarepa, Padmasambhava, Moses, Elias, Elisa, Christus

Verwandlung von Gegenständen: Sem-Priester, Yogis, Milarepa, Moses, Christus

Nahrung vom Himmel regnen lassen: Yogis, Moses

Quellen entstehen lassen: Yogis, Milarepa, Moses

Teilen bzw. Aufwärtsfließenlassen von Flüssen und Meeren: Yogis, Milarepa, Moses, Elias, Elisa

Herabrufen von Feuer: Elias

Herabrufen von REgen (Regenzauber): Schamanaen, Yogis, Milarepa, Elisa

mit dem materiellen Körper zum Himmel auffahren: Yogis, Elias, Christus

Verwandlung von Gift in Speise: Sem-Priester, Yogis, Milarepa, Elisa, Christus, Petrus, christliche Heilige, Sufis

unbeschadet Gift trinken: Yogis, Padmasambhava

Schwimmenlassen von Eisen: Yogis, Elisa 

Verändern des eigenen Gewichtes: Yogis

glutflüssiges Metall trinken: buddhistische Yogis 

Dinge materialisieren: Yogis, Milarepa 

Schweres heben: Schamananen, Milarepa 

Lebenselixier herstellen: Yogis

Erzeugen von Feuer: Milarepa, Elias

feuerfest sein: Padmasambhava

 

Bei der Betrachtung dieser Beispiele von Magie zeigt sich, daß es eigentlich kaum etwas gibt, was diese Magier nicht getan haben. Es sieht ganz so aus, als ob die Naturgesetze in jeder Weise außer Kraft gesetzt werden können. Es zeigen sich hier verschiedene Katagorien von Wundern:


Die weitaus umfassenste Kategorie betrifft Heilungen und Hilfen aller Art bis hin zur Auferweckung von Toten. Dies entspricht offensichtlich der eigentlichen Aufgabe der Schamanen.

Eine spezielle Variante des schamanischen Motives von „Tod und Wiederauferstehung“ ist das Zerstückeln und Wiederzusammensetzen von Lebewesen, das vor allem die altägyptischen Priester beherrscht haben.


Die körperliche Auferstehung bzw. der körperliche Aufstieg zum Himmel, die von Christus, Elias, in abgewandelter Form auch von Moses, von Sri Yukteshvar und von einer ganzen Reihe von Mahasiddhis berichtet werden, sind Wunder, die der Jenseitsreisesymbolik entsprechen.


Eine recht kleine Kategorie sind die Verfluchungen, die vor allem im Zusammenhang mit Zauberwettstreiten zur Ermittlung des stärkeren Glaubens bzw. der stärkeren Gottheit dienten wie z.B. der magische Kampf zwischen Moses und den Priestern des Pharaos, der zwischen Elias und den Baals-Prisestern, der zwischen dem Buddhisten Padmasambhava, der neu nach Tibet gekommen war, und den dort einheimischen Bön-Priestern, oder zwischen dem tibetischen Yogi Milarepa und den Bön-Priestern.


Eine etwas größere Katagorie besteht aus weitgehend neutralen magischen Handlungen, durch die die Freiheit des Handelns des Magiers demonstriert wird wie Fliegen, über Wasser gehen, durch Felsen gehen, unbeschadet Gift trinken, sich vervielfachen, sich unbeschadet in Feuer hüllen, sich einen Monat lang unbeschadet ohne Luft, Wasser und Nahrung begraben lassen usw.


Manchmal hat die eben genannte Kategorie auch eine praktischen Nutzen wie die Überquerung eines Flusses oder Sees, die Neutralisierung eines Giftes oder die Bilokation, also das Erscheinen an zwei oder mehreren Orten gleichzeitig, weil der betreffende Magier an mehreren Stellen gleichzeitig helfen will. Dazu gehören auch die Fähigkeiten, tagelang ohne Luft und jahrelang ohne Nahrung auszukommen oder die innere Hitze zu entfachen, sodaß der Betreffende wochenlang nur mit einem dünnen Baumwollgewand bekleidet in Eis und Schnee meditieren kann (Tummo).


Eine eigenständige Kategorie ist auch die Telepathie, das Vorhersehen der Zukunft und das Erkennen von verborgenen Dingen, also die Ausdehnung der direkten Wahrnehmung weit über die Grenzen der eigenen Psyche hinaus.


Eine besondere Kategorie ist die Herstellung des Lebenselixiers. Dies geht auf die Vorstellung zurück, daß der Tote von der Mutter aller Dinge nach seiner Wiedergeburt gesäugt wird. Aus dieser „Milch der Großen Göttin“ wurde dann der Göttermet, der indische Soma-Trunk, der persische Haoma-Trunk, der Nektar und das Ambrosia der griechischen Götter, der Balché-Trank der Mayas usw., die alle die Lebenskraft darstellten und daher wie die Milch der Muttergöttin Unsterblichkeit verliehen. In vielen Fällen bestanden sie aus Milch als der Essenz des Tierreiches, aus Honig als der Essenz des Pflanzenreiches und aus Pflanzenauszügen, die todesähnliche oder ekstatische Zustände hervorrief, durch die der, der diesen Trank zu sich nahm, eine Reise ins Jenseits erleben konnte. Oft schwamm in diesem Trank eine Seerose oder eine Lotusblüte als Symbol der Seele, die aus der Wasserunterwelt an die Oberfläche zu den Lebenden zurückkehrt. Eine spätere Entwicklung dieses Motivs war die Suche nach dem Lebenselixier durch die Alchemisten.


Die Auferstehung ist das Element, das einen Menschen zu einem Schamanen werden läßt: die Rückkehr aus dem Jenseits. Zum Teil hat sich dieses Element bei den Magiern noch gesteigert, indem einige Personen nach ihrem tatsächlichen körperlichen Tod noch einmal für eine Zeitlang erscheinen. Der körperliche Aufstieg zum Himmel, die Auferweckung von Toten und die Herstellung des Lebenselixiers ist damit nah verwandt.

Die konkrete Anwendung dieser Verbindung zum Jenseits zu den Ahnen bzw. zu den Gottheit oder zu Gott ist die Heilung der Menschen, die neben der Begleitung der Seelen der Verstorbenen ins Jenseits die zentrale Aufgabe der Schamanen ist. Das Gegenstück zur Heilung ist die Verfluchung.

Die Ausweitung des Bewußtseins entsteht aus dem Kontakt zum Jenseits, also zu dem Bereich der Seelen und zu dem Bereich der Lebenskraft, der zwischen dem Diesseits und dem Bereich der Seelen liegt. Die daraus entstehenden Fähigkeiten sind Telepathie, das Vorhersehen der Zukunft u.ä.

Generell ergibt sich aus der magischen Kraft, die mit dem bewußten Zugang zu dem Bereich der Lebenskraft und der Seelen entsteht, die Möglichkeit der Magier, ihre magische Handlungsfreiheit zu demonstrieren und sie auch für die verschiedensten praktischen Wunder wie das gehen über Wasser einzusetzen.

Es läßt sich also auch in den Arten der Wunder der Magier durchaus noch die schamanische Tradition als die Wurzel der Magier erkennen.


Fast alle Magier betonen, daß man diese Wunder nicht direkt anstreben kann, sondern daß sie sozusagen als Beiwerk des Strebens nach der Verbindung zum Jenseits, also zu den Ahnen oder den Gottheiten oder zu dem einen Gott entstehen. Hierzulande ist vermutlich die Szene am bekanntesten, in der Christus seine Apostel tadelt, daß sie nicht auf ihre Fähigkeit, Dämonen auszutreiben und andere Wunder zu tun, die er ihnen durch einen Segen übertragen hatte, stolz sein sollten, sondern daß sie immer als erstes nach Gott streben sollten.




In der Fantasy-Literatur ist Miraculix eindeutig ein Magier der Zaubertränke. Gandalf ist eher ein Feuerzauberer; er steht also in der Nachfolge der tanzenden Ekstasezauberer, die die Lebenskraft (Feuer) in sich hereinrufen. Dumbledore ist in dieser Hinsicht Gandalf recht ähnlich. Natürlich haben alle drei auch die Eigenschaften der Weisheit, des Scharfsinns und des Überblicks, wie sie vor allem für Merlin typisch sind. Meister Yoda ist vor allem ein Weisheits-Magier – also ein Magier vom Merlin-Typ.

Die Jenseitsreise taucht sowohl bei Gandalf als auch bei Dumbledore als zentrales ThemaDumbledore ist der Übergang zwischen Diesseits und Jenseits das zentrale Thema, wie sich u.a. in seiner intensiven Beschäftigung mit den drei „deathly Hallows“, die mit dem Tod in Verbindung stehen, zeigt.

Gandalf, Miraculix und Dumbledore stehen wie die historischen Schamanen-Priester außerhalb der Hierarchie: Miraculix ermöglicht den Galliern ihr anarchisches Verhalten gegenüber Cäsar, Gandalf gehört zwar zu dem Zauberer-Orden, aber er geht immer seine eigenen Wege, und Dumbledore steht zwar innerhalb der Gesellschaftsordnung, aber er fügt sich nicht den Ansprüchen des Zaubereiministeriums und will auch selber nicht Minister werden. Am deutlichsten hat sich dieser Aspekt des Schamanismus bei Miraculix erhalten. Bei Meister Yoda tritt dieser Aspekt erst nach der Übernahme der Macht durch die Sith auf, als er in den Untergrund gehen mußte – die Abseitsstellung ist hier mehr politischer Natur.

Alle vier Zauberer stehen nicht völlig isoliert da, sondern sind Mitglied einer Vereinigung von Gleichgesinnten: Miraculix gehört zu den Druiden, Gandalf zu dem Zauberer-Orden, Dumbledore zu Hogwarts und zu verschiedenen Magier-Vereinigungen und Meister Yoda ist der oberster Lehrer der Yedi-Ritter.




Es wurden hier fast nur Männer genannt, weil nur von wenigen Frauen magische Tätigkeiten überliefert wurden. Dies kann aber durchaus daran liegen, daß der Beginn der schriftlichen Überlieferung mit dem Beginn des Königtums und des Monotheismus und somit auch des Patriarchats zusammenfiel.

Es läßt sich heute keine größere magische Begabung bei Männern als bei Frauen feststellen – lediglich der grundlegende Stil ist bei Männern und Frauen verschieden. Die vereinzelten Magierinnen, die man historisch auffinden kann wie die Weledas, Walas, Hexen oder einzelne historisch bekannte Magierinnen wie Circe oder Morgane lassen darauf schließen, daß die Magierinnen lange Zeit eher im Untergrund gewirkt haben. Lediglich in der tibetisch-buddhistischen Tradition finden sich häufiger Magierinnen wie z.B. Yesche Tzogyal, die Gefährtin von Padmasambhava und verschiedene Dakinis.