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Buddha

 

Freundlichkeit

- eine der vier Eigenschaften eines Erleuchteten -

 

   Zunächst einmal erscheint die Freundlichkeit ja nur als „höfliche Umgangsform“ - und wird als solche in der Regel eher als eine oberflächliche strategische Maßnahme zum Erreichen der eigenen Ziele angesehen.

 Bei der Suche in der Literatur nach Kommentaren zur Freundlichkeit stößt man jedoch irgendwann darauf, daß Buddha die „grenzenlose Freundlichkeit“ als eine der vier Merkmale eines Erleuchteten genannt hat. Möglicherweise hat die Freundlichkeit also noch tiefere Qualitäten, Wirkungen und Funktionen als das Verbergen der eigenen wirklichen Absichten und Gefühle.
 Die vier grenzenlose Eigenschaften eines Erleuchteten sind Buddha zufolge die grenzenlose Bejahung (Gleichmut), die grenzenlose Freundlichkeit (Barmherzigkeit), die grenzenlose Liebe und die grenzenlose Freude.
 Die Bejahung ist die einzig sinnvolle Haltung gegenüber allen Dingen, denn sie besagt zunächst einmal, daß man das ansieht, was vor einem steht und nicht die Augen verschließt. Man hat im Hier und Jetzt genau zwei Möglichkeiten: das zu sehen, was da ist oder wegzuschauen – dies gilt für das, was außen ist und für das, was innen ist. Es ist zwar ein beliebtes kindliches Spiel, sich die Augen zuzuhalten und zu rufen „Such mich!“, aber das Verschließen der Augen führt nun einmal nicht dazu, daß etwas verschwindet.
 Diese Grundhaltung findet sich auch in der jüdischen Kabbala, in der die Tugend der Sephirah Malkuth, also des Ausgangspunktes auf dem Lebensbaum, mit dessen Hilfe man zu Gott aufsteigen kann, die Unterscheidungskraft ist – sehen was ist und erkennen, was es ist.
 Im Hindhuismus findet sich dieses Motiv in der oft erwähnten Notwendigkeit, den Schleier der Maya, der über den Dingen liegt, aufzulösen.
 Diese Annäherung an die allem Existierenden zugrundeliegende Wahrheit beginnt immer im Hier und Jetzt in der konkreten Welt. Daher ist die Bejahung dessen, was ist, immer der erste Schritt für jede Art der Veränderung.
 Diese Bejahung bedeutet nun keinesfalls, daß man alles so lassen will, wie es ist, sondern nur, daß man anschaut, was da ist – denn wie sollte man etwas ändern können, das man gar nicht sieht oder das man zwar gesehen hat, aber anschließend möglichst gründlich wieder zu vergessen trachtet?
 Was folgt nun nach der Bejahung, also nach dem Akzeptieren dessen, was da ist? Man kann entweder sagen „Ich will Dich nicht haben!“ oder „Ich sehe, Du bist in mir und in meinem Leben. Magst Du mir zeigen, wer Du eigentlich bist und warum du da bist?“ Mit der ablehnenden Haltung verursacht man eine Verdrängung, wodurch auch die Bejahung wieder aufgelöst wird. Die interessierte und annehmende Haltung der Freundlichkeit führt jedoch dazu, daß man das Wahrgenommene besser kennenlernt.
 
 Der Unterschied zwischen diesen beiden Haltungen läßt sich einfach zeigen: Wenn ein Kind sich gestoßen hat und weinend zu einem gelaufen kommt und man unwirsch sagt „Stör mich nicht! Ich muß arbeiten! Geh wieder spielen! Das ist doch gar nicht schlimm. Geh jetzt!“, dann wird das Kind erst recht zu schreien beginnen – oder ganz schweigen und seinen Schmerz in sich verbergen und später psychische Störungen zeigen, die dem Kind selber und seinen Eltern
 vielleicht noch viel Arbeit bereiten werden. Wenn man sich jedoch zu dem weinenden Kind niederkniet und es in die Arme nimmt und es fragt „Hast Du Dir wehgetan? Oje, das tut wohl arg weh? Zeig doch mal ... Soll ich mal pusten?“, dann wird das Kind bald zu weinen aufhören und wieder zu seinen Freunden laufen und sagen „Ist schon gut. Ich muß weiterspielen!“
 Genau diese aufmerksame Freundlichkeit, dieses Gesehen-werden und Angenommen-werden ist das, wonach sich im Grunde alle Menschen und auch alle Teile der eigenen Psyche sehnen. Die Freundlichkeit ist im Grunde die nach außen hin gezeigte Bejahung dessen, was ist. In der Freundlichkeit liegt auch eine Zustimmung, also nicht nur das Akzeptieren, daß etwas so ist, wie es ist und es dabei ablehnen und evtl. heimlich grollen, sondern eine innere Entspannung, ein Aufhören mit dem Widerstand gegen den Status Quo, aus dem sich dann ein Annehmen, ein „auf die Welt zugehen“ ergibt.
 Die Freundlichkeit ergibt sich einfach dadurch, daß die Bejahung dessen, was ist, nicht nur ein Hinschauen und Sehen ist, sondern daß diese Bejahung keinerlei innere Ablehnung und keinerlei Vorbehalt mehr enthält. Man sieht das, was ist, nicht nur mit den Augen, sondern man reicht dem Gesehenen die Hand und berührt es auch mit seinem Herzen.
   Die Bejahung kann noch mit angehaltenem Atem geschehen – zumal einem bei dem, was man sieht, ja manchmal der Atem stocken kann. Die Freundlichkeit jedoch hat schon wieder ausgeatmet und der Atem kommt wieder ins Fließen – man grenzt sich nicht mehr von dem, was man sieht, ab. Deshalb wird diese Freundlichkeit bisweilen auch Barmherzigkeit genannt – sie enthält auch einen „guten Willen“ oder eine „generelle gute Absicht“ für alles, was einem begegnet: Boddhicitta.
 Aus dieser Freundlichkeit entwickelt sich nun einfach durch das Wachsen und die Festigung dieser Freundlichkeit die Liebe zu allen Dingen. Die Offenheit des eigenen Herzens führt dazu, daß man allen Dingen schließlich von seinem Herzen her begegnet. Dabei ist das Leuchten des eigenen Herzens sowohl die Selbstliebe als auch die Liebe zu allen Dingen.
 Die Bejahung führt zur Selbstbejahung und zur Weltbejahung, wodurch zum einen die eigene Psyche wieder wahrgenommen, geheilt und integriert und dadurch für das Licht der inneren Wahrheit wieder durchsichtig wird, sodaß diese innere Wahrheit wieder nach außen strahlen und in den eigenen Handlungen sichtbar werden kann, und wodurch auch die Welt wieder ein wenig geheilt wird, da ein Teil des Leides in der Welt sich auflösen kann.
 Leid beruht auf falschen Vorstellungen, die die Dinge voneinander trennen, Teile dieser voneinander getrennten Vielfalt verdrängen und dann zu einseitigen, verzerrten und daher nicht sehr effektiven Verhaltensweisen führen. Die Bejahung holt die Dinge wieder ins Bewußtsein, die Freundlichkeit reicht ihnen die Hand und die Liebe integriert sie wieder.
 
 Daraus entsteht dann die Freude, denn das Wesen der Freude ist die Resonanz zwischen zwei Dingen. Lust entsteht beim Erreichen eines Zieles und ist daher eher punktuell – Freude entsteht durch die Verbindung zwischen zwei Dingen und ist daher eher langanhaltend.
   Wenn nun vorher Getrenntes wieder vereint wird, was ja bei jeder inneren Heilung geschieht, entsteht etwas größeres Ganzes, daß nun auf eine umfassendere Weise schwingen kann – was man dann als Freude erlebt.
 Im Yoga des Patanjali werden drei Dinge beschrieben, aus denen die Welt besteht: Sat, die Materie, und Chit, das Bewußtsein, und Ananda, die Freude. Die Materie erscheint zunächst einmal als Vielheit. Wenn das Bewußtsein jedoch der Vielheit zustimmt, beginnt sich die Vielheit zu integrieren und es entsteht dann die Freude.
 Im Buddhismus heißt es im Herzsutra „Form ist Leere und Leer ist Form“ - Nirvana und Samasra sind eins. Wenn man nun nur das Samsara, also die Vielheit wahrnimmt, erlebt man sie als Vielheit von getrennten Einheiten und somit als Leid. Wenn man jedoch die Einheit in der Vielheit wahrnimmt und erlebt, dann entsteht durch die Integration der Vielheit zur Einheit die Freude. Diese Integration ist das Ziel des buddhistischen Lamrim, des „Stufenweges“.
 In der jüdischen Kabbala heißt es in den „Sprüchen der Weisheit“: „Kether (Einheit) ist Malkuth (Vielheit) und Malkuth ist Kether, nur auf eine andere Weise.“ Wenn es einem gelingt, den Weg von der Vielheit in Malkuth über die elf Stufen zu der Einheit in Kether zu gehen, erlangt man die Glückseligkeit.
 Im Neuen Testament heißt es bei Johannes, Kapitel 15, Vers 9 bis 12: "Gleichwie mich mein Vater liebet, also liebe ich euch. Bleibet in meiner Liebe! So ihr meine Gebote haltet, so bleibet ihr in meiner Liebe, gleichwie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. Solches rede ich zu euch, auf das meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. Das ist mein Gebot, daß ihr euch untereinander liebet, gleichwie ich euch liebe." Auch hier führt die Bejahung (der Gebote) zur Liebe und die Liebe zur Integration und somit zur Freude.
 Die Heilung besteht in einer einzigen schlichten Haltung, die sich in einem Wort zusammenfassen läßt: „Ja.“